Alte Scheiben – neu aufgelegt

Von: Florian - 3. Mai 2021

Es war für mich ein Schlüsselmoment, der mein Leben nachhaltig verändern sollte. Vor fast 20 Jahren stehe ich im Plattenladen und lege nichtsahnend die folgende Scheibe auf:

Bei den ersten 5 Songs stutze ich bereits. Häh, hast Du das nicht schon mal irgendwo gehört? Bei Track 6 machts dann Klick.

Okay, okay: Was wird hier gespielt? Das Stück klingt ab Minute 02:10 exakt wie der 90er Chart-Hit "My name is" von Eminem. Es ist der Moment, in dem ich kapiere, worauf die mich bis dahin prägende Kultur des Hip-Hops aufgebaut ist: auf Soundschnipseln alter Platten aus staubigen Regalen. Und es ist der Auftakt zu einer nunmehr 20-jährigen Suche nach den Originalen der mich umgebenden Musik.

Doch der Reihe nach - einige Jahre nach meiner Ur-Erfahrung klärt mich der Pionier der US-amerikanischen Block-Partys Grandmaster Flash darüber auf, wie sich aus seiner Idee der Quick-Mix-Theorie einer der prägendsten Musikstile der 90er und 2000er Jahre entwickeln sollte. Am besten er zeigt selbst mal, was ihn da in den Sinn gekommen ist:

Okay: vom Prinzip her ganz einfach. Platte Nr. 1 spielt für 2 bis 4 Takte einen kleinen Teil des Musikstücks (den sogenannten Breakdown). Auf der anderen Seite liegt dieselbe Platte, die nach Ablauf der Takte mithilfe des Mixers eingeblendet wird und und dieselbe Stelle des Stücks spielt. In der Zwischenzeit kann Platte Nr. 1 wieder auf Anfang gedreht werden und nach dem Zurückblenden beginnt das Spiel von vorne.

Und was bringt das jetzt? Durch hin und her mixen zwischen den beiden Platten wird der Breakdown unendlich verlängert bzw. in Endlos-Schleife gespielt. Und wer tanzt wie wild auf den Break (-down)? Klaro - die Breakdancer - hat also nichts mit "halsbrecherischen" Kunststücken zu tun, sondern damit, dass zum Break getanzt wird.

Bereit für ein musikalisches Déjà-vu?

Soweit verstanden! Und was hat das jetzt mit dem Titel des Beitrags zu tun? Diese Idee – einen kleinen Teil eines (älteren) Musikstücks unendlich zu verlängern – bildet die Grundlage für unzählige Hits in Radio und Diskos. Glaubst Du nicht? Solltest Du aber. Hier der Beweis.

Ums ein wenig spannender zu machen, habe ich den Original-Titel herausgesucht. Hör ihn Dir an und rate mal, welcher Hit daraus gemacht wurde – als Hilfestellung habe ich die entscheidende Stelle zeitlich angegeben (Beispiel: 01:21 = bei einer Minute 21 Sekunden solltest Du etwas genauer hinhören). Los geht's.

Chris Barber - Earth Abides 

Oh ja, ich erinnere mich, nach dem musste ich echt lange suchen. Aber weil ich den daraus gemachten Hip-Hop-Track bis heute gern spiele und weil er einfach so exemplarisch für das unbeschwerte Lebensgefühl der 90er Jahre steht, war jede Minute der Suche gut investiert. Vorsicht: Geht wild los und ist auch sonst nur mit etwas Übung durchzuhören, aber das entscheidende Stück entschädigt für alles: ab 0:19

Na, eine Idee? Hier geht's zu Auflösung.

Oregon - Witchi-Tai-To 

Okay, okay, man muss Musik schon wirklich lieben, wenn man irgendwann sagt - den Sound von Oregon find ich richtig tight. Vielen fallen da wahrscheinlich eher Attribute wie "anstrengend" oder "abgespaced" ein. Aber wenn man weiß, dass die Band die Grundlage für eines der schönsten Liebeslieder in deutscher Sprache geliefert hat, hört man ihre Tracks vielleicht doch mit wohlwollenden Ohren: ab 0:37.

Schon erraten? Das ist Ende der 90er daraus geworden.

Jetzt wendest Du vielleicht ein - na ja, so ein paar Hip-Hop Stücke, das ist ja ganz nett, aber so richtig kommerziellen Erfolg hatten die ja nicht wirklich. Dem entgegne ich - nimm das:

Titel mit mindestens einer halben Milliarde Aufrufe
 

Etta James - Something's gotta hold on me

Den habe ich eigentlich schon lange in meiner Sammlung, nur ist mir erst sehr viel später aufgefallen, dass die Nummer im noch jungen Genre des EDM (Electronic Dance Music) verwurstet wurde. Man bringt die beiden Musikstile nicht unbedingt miteinander in Verbindung. Umso mehr Anerkennung gebührt dem Schweden, der den bis 2011 weitgehende unbekannten Track der Jazz-Sängerin Etta James zu weltweiten Ruhm verhalf: ab 0:00.

Kommst Du drauf? In diesem Titel wurde die Stimme der Kalifornierin genutzt (ab 1:24).

Lee Oskar - San Francisco Bay

Was feiere ich Lee Oskar! Eigentlich habe ich ihn über seinen anderen Smash-Hit "Our Road" gefunden. Er dient als Vorlage für den echt düsteren Hip-Hop Track "Ain't the Devil happy" von Jeru Tha Damaja. Ein absoluter Kracher in Hip-Hop Kreisen. Aber die Bandbreite des dänisch amerikanischen Mundharmonika-Spielers Oskar reicht von düster bis heiter. Und ein echter Tanzbein-Schwinger ist auch das Stück geworden, das sich ein paar Passagen aus dem Song "San Francisco Bay" geliehen hat. Kleiner Tipp: Man muss sich das Ganze tempomäßig so vorstellen, als liefe die Platte auf 45 statt auf 33 Umdrehungen - sprich: ein gutes Stück schneller. Ab 0:28.

Ehrlicherweise kann ich nicht so richtig was mit dem Produzenten und der Sängerin des neu aufgelegten Titels anfangen - aber man kann sich halt nur schwer gegen die gute Laune des Tracks wehren.

Andrew Oldham Orchestra - The Last Time

Es müssen aber nicht immer drückende Bässe und ohrenbetäubende Drums das musikalische Geschehen dominieren. Auch klassischen Pop-Songs sieht man manchmal ihre Herkunft nicht an. Ein gutes Beispiel dafür ist der tragende Song "The Last Time" des Andrew Oldham Orchestras. Führender Kopf der Band war Andrew Loog Oldham, der - wenn er nicht mit seinem eigenen Projekt beschäftigt war - die Rolling Stones gemanagt und produziert hat. Ein kleiner Tipp: Der gesuchte Track hat gerade in Deutschland durch den Film "Eiskalte Engel" einen enormen Bekanntheitsschub erhalten.

Viel hat man im Vergleich zum Originaltitel nicht verändert - hier geht's zur Neuauflage.

Luiz Bonfa - Seville

Der Song ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich wirklich viele Produzenten im brasilianischen Bossa Nova bedienen. Denn egal ob Black Eyed Peas oder Lou Bega - Bossa-Rhythmen mit gute Laune-Faktor scheinen gut geeignet, wenn man sich vorgenommen hat, einen Chart-Hit zu platzieren. So auch im Falle von Luiz Bonfa und seinem Titel "Seville". Zwar ist das benutzte Versatzstück eher kurz und nicht unbedingt ein typischer Vertreter des Bossa - das tut dem Erfolg seines modernen Nachfolgers aber keinerlei Abbruch: ab 0:00.

Was gut zu hören ist: Die genutzte Passage bildet zwar die melodische Basis des Chart-Hits, wird aber um viele weitere Musik-Elemente ergänzt. So entsteht nicht nur ein völlig neuer Song, sondern auch ein ganz anderes musikalisches Grundgefühl.

Boney M. - Gotta go home

Da ist sie wieder - meine Schwäche für Disco-Titel. Und irgendwie finde ich es tröstlich, dass ich anscheinend nicht der Einzige bin, der auf die rhythmisch-treibenden Titel der 70er und 80er steht. Boney M. ist den meisten wohl ein Begriff, vor allem in Verbindung mit Titeln wie "Daddy Cool" oder "Rivers of Babylon". Aber auch weniger bekannte Stücke wie "Gotta go home" haben den Sprung ins neue Jahrtausend geschafft. Ich gebe es zu - ich bin kein Fan von Techno Boom-Boom oder den Geräuschen-Kulissen des Dub-Steps - aber manchmal wertet ein bisschen mehr Druck im Bass-Bereich einen Song auch auf - so wie bei dem gesuchten Titel: ab 0:09.

Gemessen an den Klick-Zahlen ist die Neuauflage zwar weniger erfolgreich als das Original - dafür bringt sie mehr Spaß auf der Tanzfläche.

Die Spitze des Eisbergs

Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist und sehr viel Zeit mitgebracht hat, der kann unter folgendem Link schauen, wie viele Hits auf anderen Stücken beruhen. Hierfür einfach auf das bevorzugte Genre klicken und überraschen lassen:
www.whosampled.com

In Vorbereitung auf den Beitrag ist zudem eine Playlist entstanden, die noch ein paar weitere sehr bekannte Titel enthält - es ist immer erst das Original und dann das aktuelle Stück zu hören:
Youtube-Playlist - Sampled Hits

Wer hingegen sagt: "Die ganze Sucherei ist mir zu anstrengend", dem empfehle ich einen Blick auf Die besten YouTube Musikvideos. Dort kommt man auch ohne große Suche auf seine musikalischen Kosten und kriegt obendrein spektakuläre Bilder geboten.

Inhaltsverzeichnis
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